Es ist Montag morgen und ich sitze in meinem Büro in WS-393-4700 (für wen dies nur eine unverständliche Buchstaben-Zahlen-Kombi ist, bitte hier nachlesen) und tätige eine Überweisung von meinem deutschen auf mein britisches Konto.
Vor 15 Minuten habe ich außerdem mit meiner Visa-Kreditkarte eine Bestellung bei amazon getätigt und eine Unterkunft für meinen Urlaub bei booking.com gebucht. Für mich ist mein Bankkonto, online Überweisungen und Kreditkarte etwas absolut selbstverständliches. Das Girokonto ist dabei Dreh und Angel Punkt. Rechnungen werden bezahlt, Gehälter gehen ein, Einkäufe getätigt.
Doch wie sieht das in anderen Ländern aus? War nicht jeder schon mal in einem Land, in dem fast alles über Bargeld läuft und man im Hostel beim Vorzeigen der Kreditkarte nur müde belächelt wird? Was für uns an Bezahlvorgängen bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist für viele Bewohner des afrikanischen Kontinents eine absolute Ausnahme. Ein paar Zahlen: laut Statistiken der Weltbank hatten 2014 nur 66% der Bevölkerung in Sub-Saharan Afrika ein formales Bankkonto.
Während in Industrieländern das Bankkonto mehr und mehr zum Wegwerfprodukt avanciert (heutzutage ist ein Kontowechsel innerhalb weniger Tage durch den Einsatz diverser IT-gestützter Hilfsmittel super fix vollzogen. Ein Filialbesuch absolut nicht mehr notwendig) und super schnell austauschbar ist, stehen viele Menschen auf unserem Planeten vor ganz anderen Herausforderungen.
In einem Blogbeitrag von Elixirr wird Afrika als “Unbanked Continent” bezeichnet. Welches Potenzial Banken in Afrika und Bankgeschäfte haben, soll an anderer Stelle diskutiert werden, die Frage ist allerdings, wie gehen die 800 Millionen Menschen ohne Bankkonto mit dem Problem um? Und was sind eigentlich die Herausforderungen?
Nicht jeder, der kein Zugang zu einem Bankkonto hat, hat dies auf Grund von großer Armut oder Unwissenheit, wie es so häufig in den Medien dargestellt wird. Viel häufiger ist ein Bankkonto einfach auch nicht praktikabel weil Überweisungen zwischen Banken sowieso fast unmöglich und teuer sind, man keine Adresse hat zu dem man das Konto anmelden kann (das Problem ist in der Theorie ja jetzt gelöst), derjenige dem man Geld schicken möchte ebenfalls kein Konto hat oder der kleine Ladenbesitzer sich die Gebühren nicht leisten kann oder will.
Doch was mache ich jetzt, wenn ich mir Ersatzteile aus der Hauptstadt bestelle, Strom und Wasser für mein Haus benötige oder die Schulgebühren der Kinder zahlen muss?
Zuletzt ist es für Menschen in sehr ländlichen Gebieten fast unerlässlich, über eine Alternative nachzudenken, da spätestens dort keine Bankfiliale, Geldautomaten oder ähnliches verfügbar ist. Man sieht, dass die Anforderung an das „Bezahlen“ komplett anderen Voraussetzungen unterliegt. Preisstruktur und Praktikabilität eines Bankkontos werden extrem in Frage gestellt. Während die Industrieländer streiten, ob nun der NFC Chip im Handy oder in der Kreditkarte am besten eingebaut werden soll, ob nun eine Überweisung in einem Tag, einer Stunde oder einer Sekunde auf einem Konto übertragen werden soll oder welcher „Idiot“ für Bankdienstleistungen überhaupt noch bezahlt, liegen die Hautaugenmerke in Entwicklungsländern ganz anders.
Die innovative und doch so einfache und logische Antwort heißt mobile Bezahlsysteme oder M-Payment: M-Pesa in Kenia und anderen Ländern, Mobile Money in Ghana, SagePay in Südafrika um nur einige der Firmen oder Systeme zu nennen, die an jeder Straßenecke stehen und in jedem noch so kleinen Dorf mindestens einen Agenten für die diversen M-Payment Systeme vorweisen kann. Während wir uns den Kopf über das Bezahlen von morgen zerbrechen und nicht voran kommen, setzen afrikanisches Länder einfache, vorhandene Infrastrukturen ein, um das Problem zu lösen. Pragmatisch und ohne viel tamtam.
Das Prinzip ist simple: Man versendet eine Geldsumme von einem mobilen Account zu einem anderen. Wenn ich zum Beispiel meinen Schuhmacher in Accra bezahlen möchte, lade ich meinen Account “auf”, d.h. ich zahle Geld in meinen mobile money account ein und verschicke es an seine Telefonnummer die ebenfalls einen dahinter liegenden Account hat. Er kann damit nun seine Zulieferer bezahlen oder sich bei einem Agenten die gesamte Summe oder Teile davon auszahlen lassen.
Die gesamte Transaktion dauert vielleicht 2 Minuten und der Schuhmacher hat das Geld quasi in Echtzeit verfügbar.
Der erste Anbieter auf dem afrikanischen Markt, M-Pesa in Kenia feierte 2017 sein 10-jähriges Jubiläum mit 19 Millionen aktiven Kunden während der zweit-grösste Anbieter, MTN Mobile Money etwas über 15 Millionen aktive Kunden hat. Die Region südlich der Sahara hatte 2016 insgesamt 143 Millionen mobile money accounts, 100 Millionen davon aktiv, während der zweit-grösste Markt, das südliche Asien bisher nur 40 Millionen aktive Nutzer aufwarten kann (Quelle: McKinsey).
Der afrikanische Kontinent führt damit den Markt der mobilen Bezahlsysteme mit deutlichem Vorsprung an und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich bald eine Alternative findet.
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